‚Muzungu, Muzungu!‘ – Eindringliche menschliche Begegnungen im ländlichen Uganda (2|2)
Kampala – Angesichts der enorm angestiegenen Bevölkerungsdichte ist in den letzten Jahren auch der Anteil an bewirtschafteten Feldern und Plantagen angestiegen. Während 77 Prozent der Deutschen in Städten wohnen, trifft dies nur auf ein Viertel aller Ugander zu. Ein Großteil der ugandischen Bevölkerung lebt somit unter schlechten infrastrukturellen Bedingungen und ist damit auf externe Unterstützung angewiesen. Die sogenannten SACCOs (Savings and Credit Cooperative Organizations) unterstützen Bäuerinnen und Bauern in abgelegenen Regionen bei der Bestreitung ihres Lebensunterhalts durch Subsistenzlandwirtschaft. Durch die ausgegebenen Mikrokredite der SACCOs können Felder bestellt und in Stand gehalten werden. Die Produktion, die über den eigenen Nahrungsmittelbedarf hinausgeht, kann zudem auf lokaler und regionaler Ebene gehandelt werden.
Darüber hinaus können geerntete Nahrungsmittel weiterverarbeitet und verkauft werden – das hat den Vorteil, dass neben den Produktkosten ein kleiner Arbeitslohn berechnet werden kann. Hierzu ein praktisches Beispiel: ‚Rolex‘ ist eine der beliebtesten Speisen und besteht aus einem in ein Chapati-Fladenbrot eingewickeltem Gemüse-Omelett. Rolex ist somit günstig, sättigend, schnell zuzubereiten und kann morgens, mittags und abends gegessen werden. Ein Bauer, selbst Mitglied einer ortsansässigen SACCO, besitzt vier Hühner und baut auf seinem Grundstück Tomaten und Zwiebeln an. Mit dem SACCO-Mikrokredit erwirbt er zwei Dinge: einen Gaskocher sowie einen Sack Weizenmehl. Auf dem lokalen Markt bietet er von nun an täglich seine gebackenen Rolex an. Mit den Gewinnen zahlt er zum einen die Raten für den aufgenommenen Kredit zurück, und bildet Rücklagen, um ein Getreidefeld anzulegen.
‚Muzungu, Muzungu!‘ – Von dieser genannten und vergleichbaren Erfolgsgeschichten wird uns während unseres dreiwöchigen Trips vielfach berichtet. Neben einzelnen Bäuerinnen und Bauern gibt es in Uganda zahlreiche UnternehmerInnen, die sich in Gruppen zusammenschließen und so das Kreditvolumen wie auch die Arbeitskraft erhöhen. Auf unserer Route vergesse ich hin und wieder, wie ungewohnt der Anblick eines weißen Menschen für viele ist. Gerade Kinder – und davon gibt es bei einem Durchschnittsalter von 15,9 Jahren sehr, sehr viele – schreien häufig ‚Muzungu, Muzungu‘, was in Swahili so viel wie ‚jemand mit weißer Haut‘ bedeutet. Während in anderen afrikanischen Ländern häufig Skepsis oder sogar Angst gegenüber Fremden überwiegen, flacht die Schüchternheit in Uganda meist nach einigen Minuten ab. Die Kinder schauen ungläubig, winken und nähern sich dann an. Manchmal machen sie sich sogar einen Spaß daraus, möglichst nah an den Muzungu heranzukommen.
Gastfreundschaft zeigt sich für gewöhnlich gerade dann, wenn der Gastgeber selbst nicht viel zum Leben hat und trotzdem seinen Gast in den Mittelpunkt stellt – dies ist bei der überwiegenden Anzahl unserer Begegnungen mit den Interview-Partnern der Fall. Die wenigen Stühle bieten die Bewohner zuerst uns ‚Gästen‘ an, Soft-Getränke sind in entlegenen Regionen ein seltenes Gut und werden uns dennoch auf einem Tablett bereitgestellt, nach Durchführung der Befragungen wird für unsere sichere Weiterreise gebetet – und zudem bekommen wir mehr Zuckerrohr geschenkt, als wir in der nächsten Zeit kauen können. Der fade Beigeschmack liegt darin, dass diese Freundlichkeit sehr wahrscheinlich auf meine Hautfarbe zurückzuführen ist. Eine Sonderbehandlung möchte ich nicht.
Ein ganz besonderer Tagesausflug führte uns in die Region Bundibugyo, die sich im Ruwenzori-Gebirge an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo befindet. Um die für diesen Tag geplanten Interviews zu führen, müssen wir zunächst einige Kilometer durch den Ituri-Regenwald zurücklegen. Da weder ich noch meine ugandischen Kollegen die lokale Bantu-Sprache beherrschen, greifen wir an diesem Tag auf Mitarbeiter der ansässigen SACCO-Organisation zurück. Dabei berichten die Menschen von ihrer positiven Nutzererfahrung mit mobile payments – das ist die Technologie, über die Geldbeträge auf ihre Mobiltelefone übertragen werden. Wir freuen uns, dass Mikrokredite in dieser abgelegenen Region wahrgenommen werden und das Leben der Menschen positiv beeinflussen.
Ganz anders als der ruhige, friedliche und in Teilen scheue Alltag im „Feld“ erlebe ich den Hauptstadt-Trubel in Kampala. Minibusse, Bodabodas, Viehtransporte und co. überlasten ein in weiten Teilen bereits labiles Verkehrssystem. Die halsbrecherischen Motorradtaxis habe ich einmal ausprobiert und danach auf die vierräderige Uber-Alternative zurückgegriffen – man soll sein Glück schließlich nicht überstrapazieren. Auch beim Obst-Einkauf halte ich mich nach den ersten Erfahrungen bewusst im Hintergrund: Die Muzungu-Preise sind nicht selten doppelt so hoch – das Verhandeln übernimmt von nun an meine Vermieterin Haliimah. Trotz diverser kultureller Herausforderungen muss ich als Europäer nicht verzichten – Kampala ist grün und gut entwickelt, Supermärkte verkaufen allerlei europäische Produkte, und Fastfood-Ketten, Restaurants und Bars gibt es zu Genüge.
Aufgrund der aktuellen Entwicklung zu Covid-19 (ja, ohne eine kurze Erwähnung geht es dann doch nicht …) hat sich mein ursprünglich 2-monatiger Aufenthalt verkürzt, sodass ich mich derzeit wieder in Deutschland befinde. Flugreisen vom bzw. zum einzigen internationalen Flughafen Entebbe sind zunächst unbefristet ausgesetzt. Vor dem Hintergrund vorheriger Entwicklungen in China und Europa hat die Regierung unter Präsident Yoweri Museveni früh mit Isolations- und Quarantänemaßnahmen begonnen. Mittlerweile liegt das öffentliche Leben, wie auch in weiten Teilen Europas, still – das bedeutet, dass Schulen, Universitäten und Büros geschlossen sind und die Bevölkerung dazu angehalten wird, die Wohnung nicht zu verlassen. Auch diese Zeit wird irgendwann wieder vorübergehen.
Über Kommentare, Anmerkungen und Tipps freue ich mich immer sehr, schickt daher gerne eine Email an info@globaltravelling.de.