Pura Vida! Lebensfreude und Gelassenheit in Costa Rica

 

San José – auf der Suche nach einem tropischen Weihnachtsdomizil mit karibischem Flair und „grüner Natur“ sind wir fündig geworden. Costa Rica beherbergt sechs Prozent der gesamtem Flora und Fauna der Welt und gilt als Musterland für Ökotourismus. Was verbirgt sich dahinter? Zudem gelten die Ticos als gastfreundliche, weltoffene und umtriebige Gesprächspartner. Stimmt das? Wir blocken uns ins Summe 20 Tage für Costa Rica und Panama und legen in der Zeit etliche Kilometer auf der Straße und dem Wasser zurück. Dieser Bericht handelt von Besuchen im Tortuguero Nationalpark, im Funsport-Zentrum La Fortuna, bei Don Juan’s 3-in-1-Plantage und im Santa Elena Nebelwaldreservat.


Tortuguero Nationalpark – der „Amazonas von Costa Rica“: Die von vielen Touristen als Durchgangsstation genutzte Inselhauptstadt San José verlassen wir bereits nach der ersten Nacht, um den Nationalpark Tortuguero an Costa Rica’s Karibikküste anzusteuern. Wurde das 20.000 Hektar große Gebiet vor fast 100 Jahren noch zum Abholzen des tropischen Regenwaldes genutzt, steht es seit 1975 unter Naturschutz. Das einzige gleichnamige Dorf ist nur per Flugzeug oder mit dem Boot durch die Flussarme des Dschungels erreichbar, Autos gibt es im Tortuguero Nationalpark nicht. Faultiere, Tukane, Kaimane, Leguane, Papageien, Manatees, Krokodile – etwa die Hälfte aller in Costa Rica ansässigen Vogel- und Reptilienarten leben hier.

Wir stellen unseren Mietwagen am Bootsableger in La Pavona ab und steigen ins Taxi Boot. Die Fahrt mit der „Lancha“ dauert etwa eine Stunde und führt uns durch die Kanal- und Lagunenlandschaft, mitten durch den dichten Regenwald. Was erwartet man von einem abgelegenen Dorf im Dschungel, das nur über Umwege erreichbar ist und sich fernab von jeglicher Infrastruktur befindet? Wir erreichen Tortuguero auf einem schmalen Landstrich zwischen karibischem Meer und einer Lagune. Überrascht vom regen Treiben und zahlreichen Rucksacktouristen laufen wir die „Hauptstraße“ entlang. Unser Hotel haben wir im Vorhinein über Booking.com gebucht – an’s Internetnetz sind die knapp 500 Dorfbewohner also angeschlossen. Wir lassen die neue Umgebung auf uns wirken und schlürfen einen ersten traditionellen Piña Colada aus Rum, Kokosnuss und Ananas.

In Tortuguero herrscht tropisches Regenwaldklima, weshalb das Dorf zu einer der feuchtesten Regionen des Landes gehört. Das gesamte Jahr über ist es bei Temperaturen zwischen 29 und 32 Grad sehr schwül. Die beste Reisezeit ist deshalb in der Trockenzeit zwischen November und April. Wir verpassen jedoch die jährliche Schildkrötenwanderung zwischen Juli und September, bei der sich tausende Meeresschildkröten auf den Weg zu den weitläufigen Stränden des Dorfes machen, um dort ihre Eier abzulegen. Daher leitet sich auch der spanische Name des Parks ab – „tortuguero“ bedeutet wörtlich übersetzt „Platz, an den die Schildkröten kommen“. Zur Steigerung unseres Aktivitätsniveaus unternehmen wir früh am nächsten Morgen eine Kajaktour. Unser Guide führt uns in das anspruchsvolle Ökosystem und die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt des Dschungels ein, berichtet vom Zusammenleben im Dorf und den ambitionierten Ökotourismus-Zielen, die Costa Rica landesweit anstrebt und umsetzt. Das Land nimmt hier eine Vorreiter-Rolle ein – mehr dazu im letzten Abschnitt. Auch ein spontan-einsetzender Karibik-Regenschauer hält uns von unserer Erkundungstour nicht ab. Pura Vida!

 


Pura was? Achja, das Lebensmotto der Ticos bzw. Costa-Ricaner ist auf unserer Reise ein ständiger Begleiter. Einfach immer und überall. Pura Vida bedeutet, das Leben zu genießen, egal unter welchen Umständen. Das hat viel mit der Kultur und der Einstellung der Ticos zu tun. Die Costa-Ricaner sind in der Regel sorgenfreier und entspannter, und somit vermittelt der Ausruf eine klare Botschaft: „Es gibt wirklich keinen Grund zur Sorge. Du bist im Paradies“. Dabei ist Pura Vida sowohl Gruß als auch Abschied, eine Antwort auf die Frage „Wie geht es dir?“ und ein Ausdruck, der – vielleicht geschrien – bei freudigen Anlässen ausgesprochen wird. Die Lebensweise scheint Früchte zu tragen – die Ticos sind nicht nur eine der glücklichsten Bevölkerungsgruppen der Welt, sie haben zudem eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung. Diese Zufriedenheit bleibt auch uns nicht verborgen. Wir erleben die Ticos als ausgesprochen gesprächig und gastfreundlich. Viele Reisende berichten, dass die freundliche Art der Menschen die beste Eigenschaft des Landes ist.

Eine weitere verblüffende Tatsache ist, dass das Militär Costa Ricas bereits vor 70 Jahren aufgelöst wurde. Costa Rica hat keine Armee – ein Umstand, auf den viele Ticos stolz sind. Die Politik bemühte sich, sich von vielen ihrer problematischen und teils gewalttätigen Nachbarn zu unterscheiden und stattdessen soziale, kulturelle, politische und umweltpolitische Reformen zu fördern. Während Nicaragua, Guatemala, Mexiko und El Salvador Bürgerkriege erlebten und hohe Summen in die militärische Aufrüstung investierten, verzeichnet Costa Rica seit 75 Jahren weder größere Konflikte noch innere Unruhen. Das ist nur möglich, weil sich die Ticos in die Abhängigkeit der Schutzmacht USA begeben haben. Nach der Entmilitarisierung richtete das Land sein Augenmerk auf die Entwicklung der politischen Stabilität, gründete eine Polizei, förderte Bildung und öffentliche Gesundheit und setzte ambitionierte Umweltschutzziele. Die Einsparung der Militärausgaben setzen unter anderem Mittel für die Finanzierung öffentlicher Universitäten und Krankenhäuser frei. Das Nachbarland Panama verfolgt seit 1996 eine ähnliche Strategie.

 


Auf der Suche nach einem weiteren, individuellen Pura Vida-Erlebnis verlassen wir den Tortuguero Nationalpark und fahren drei Stunden quer durch’s Land nach La Fortuna. Der beschauliche Ort liegt am Fuße des Vulkan Arenal und ist wegen seiner vielen Freizeitsportaktivitäten bei Touristen beliebt. An jeder Ecke gibt es Souvenir-Läden und Tour-Büros. Begrüßt werden wir mit „It’s time to feel pura vida!“. Der Vulkan Arenal gehört zu den Aktiveren seiner Art und ist zuletzt 2010 ausgebrochen. Mittlerweile wächst er jährlich mehrere Meter, da sich die Lava rund um den Krater aufhäuft. Während die Dörfer auf der gegenüberliegenden Bergseite mehrmals zerstört wurden, blieb La Fortuna bisher verschont – diesem Umstand verdankt der Ort seinen heutigen Namen: die Glücklichen. Wegen der dichten Wolkendecke verzichten wir auf eine Vulkan-Tour und buchen stattdessen einen Rafting- und Quad-Trip. Letzterer führt uns zumindest zum Fuße des Vulkans und ermöglicht eine kleine Wanderung über das getrocknete Lavagestein. Den Abend lassen wir in einer der zahlreichen, öffentlichen heißen Quellen ausklingen. Der gesamte Fluss hat eine angenehme Badewannen-Temperatur und bildet immer wieder kleine Becken, in denen die Ticos entspannen und cerveza trinken. Pura Vida!

 


Wir können ein Kontrastprogramm zu den mittlerweile etwas eintönigen costa-ricanischen Mahlzeiten (zu jeder Mahlzeit gibt es Reis, Bohnen, Kartoffeln und irgendwas …) gebrauchen und entscheiden uns für einen Besuch auf Don Juan’s 3-in-1 Plantage. Kaffee kann bekanntlich nur in bestimmten Gebieten der Erde angebaut werden, die am Äquator und somit am Kaffeegürtel liegen. Die in der Vulkanregion Monteverde besonders nährstoffreichen Böden bieten hervorragende Bedingungen für die lokale Produktion von Kaffee. Dabei verbindet der Produktionsprozess traditionelle mit innovativen Technologien – so wird die Ernte in Costa Rica immer noch selektiv und manuell durchgeführt. Don Juan’s Familie war eine der ersten, die sich in der Region niederließ, und vertreibt neben Kaffee auch Kakao und Zuckerrohr. Seit einigen Jahren bieten die Don Juans überdies tägliche Führungen und interessante Einblicke in ihre Produktion an. Dabei lernen wir über Anbau, Ernte und Weiterverarbeitung der Kaffeebohnen, stellen aus frischen Kakaobohnen handelsüblichen Trink-Kakao her und pressen frischen Zuckerrohrsaft, der für die Rum-Herstellung verwendet wird. 

Wenige Autominuten entfernt stoppen wir im Reserva Bosque Nuboso Santa Elena, das im Gegensatz zum nahegelegenen und bei Touristen erschlossenerem Biosphärenreservat Nuboso naturbelassener und etwas kleiner ist. Das Nebelwaldreservat befindet sich im Nordwesten Costa Ricas und wird sowohl vom pazifischen Wetter, als auch von einem feuchten Klima beeinflusst. Entsprechend einzigartig ist der Lebensraum, der sich hier über Jahrhunderte entwickelt hat. Um diese Artenvielfalt zu schützen, dürfen sich höchstens 160 Menschen gleichzeitig im Wald aufhalten und durch das aus Sümpfen, Bächen, Baumriesen und Wasserfällen bestehende Gebiet wandern. Diese Beschränkungen spielen am 24.12.2021 keine Rolle, schließlich treffen wir bei unserer Passage kaum Besucher an – ähnlich verhält sich das an diesem Tag mit den Waldbewohnern: Jaguare, Tapire, Kolibris oder Faultiere meiden unsere Bekanntschaft. Allerdings bestaunen wir riesige mit Moos bedeckte Bäume, herunterhängende Lianen und den dichten Teppich aus Schlingpflanzen. Anders als zuvor im Tortuguero Nationalpark überraschen uns die schnellen Wetter-Wechsel hier nicht mehr – in Costa Rica sollte man immer seine Regenkleidung griffbereit haben. Pura Vida!

 


Was bleibt nun vom Ökotourismus? Aufgrund der geografischen Lage als Brücke zwischen Nord- und Südamerika profitiert Costa Rica von einer riesigen Vielfalt. Das Land macht nur 0,3% der Erdoberfläche aus, hält aber rund sechs Prozent der weltweiten Biodiversität. In der späten Vergangenheit wurden annähernd 2/3 des Waldes abgeholzt. Die Profitgier durch Ackerbau und Viehzucht hätte die umwerfende Natur beinahe komplett zerstört. Heute ist das anders: Costa Rica wirbt für seine fortschrittlichen Bemühungen und sein umfangreiches Netz an Schutzzonen. Etwa 50 Prozent des Landes sind wieder von Wäldern bedeckt. Dabei steht die starke Förderung nachhaltiger Praktiken, wie beispielsweise im Kaffeeanbau, und der Natur- und Arterhaltung, wie dem Tortuguero Nationalpark, im Vordergrund. Auch vor einer Öko-Steuer auf Benzin schreckte die Regierung nicht zurück. Teilweise wurden ganze Nationalparks wegen zu großer Touristenanstürme geschlossen.

Ein Umdenken hat stattgefunden: Ein Guide erklärt uns, dass der größte Profit vor wenigen Jahren darin gesehen wurde, einen Baum zu fällen, in kleine Stücke zu verarbeiten und als Brennholz oder Möbelstück zu verkaufen. Heute läuft dies vielfach anders. Wenn der Baum erhalten bleibt, wird dieser von Affen, Faultieren und Leguanen genutzt. Diese Tiere locken wiederum Touristen an, die ihr Urlaubsbudget im Land ausgeben. Dieser Prozess wiederholt sich und bringt auf lange Sicht deutlich mehr Profit als das Fällen des Baumes. Zudem wäre Pura Vida ohne eine intakte, sich im Gleichgewicht befindende Natur vermutlich gar nicht möglich. Costa Rica ist heutzutage nahezu klimaneutral und damit vielen westlichen Industrieländern voraus (Stichwort „Treibhausgasneutralität bis 2045“). Sicherlich kann das Konzept von einigen Seiten auch kritisch betrachtet werden, etwa wenn nicht zugängliche Gebiete mit Motorbooten und Flugzeugen erschlossen werden – vielmehr geht es beim Ökotourismus jedoch darum, eine stetig wachsende Anzahl von Touristen mit dem Erhalt der Natur in Einklang zu bringen. Dies gelingt Costa Rica deutlich besser als vielen anderen Ländern.


Über Kommentare, Anmerkungen und Tipps freue ich mich immer sehr, schickt daher gerne eine Email an info@globaltravelling.de.

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